Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben
28 Sep 2018
In Schwellenländern und in einigen Ländern der Dritten Welt sind mobile Dienste mit Handy und Smartphone zum Teil weiter verbreitet als im alten Europa. Das liegt auf der Hand, denn dort sind viele Abläufe, die bei uns buchstäblich seit Jahrhunderten funktionierten, gar nicht etabliert. Salopp formuliert lässt sich sagen, dass dort der Abschluss eines Geschäfts per Handschlag direkt vom Abschluss mit digitaler Authentifizierung und Autorisierung abgelöst wird.

 

Trotz gut funktionierender Freigabe- und Unterschriftenprozesse sind Unternehmen im alten Europa gefordert, baldmöglichst an die Implementierung von Verfahren für die elektronische Signatur und Fernsignaturen heranzugehen. Besonders wichtig wird dies in der öffentlichen Verwaltung. Zwei exemplarische Fälle sollen dies erläutern: Die Digitalisierung von Verfahren im Gesundheitswesen und die elektronischen Gesundheitsakten der Privatwirtschaft, die jetzt parallel zur elektronischen Gesundheitsakte in Deutschland entstehen, werden über kurz oder lang eine digitale Unterschrift erfordern, zur Authentisierung der eigenen Person beim Arzt, in der Apotheke oder im Krankenhaus.

Auch die digitale Autorisierung gewinnt im Gesundheitswesen an Bedeutung: Ob nun die Einwilligungserklärung in eine Behandlung oder die Einwilligung zum Verarbeiten der Daten gemäß der europäischen DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung): ohne digitale Signatur werden immer weniger Verfahren im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen durchführbar.

Nicht viel anders sieht es in der Privatwirtschaft aus. Schauen Sie nur einmal, wie oft Sie eine digitale Unterschrift leisten. Ob beim Autoverleiher, beim Paketboten, beim Pannendienst für Ihren Oldtimer, seit neuestem auch beim Einschreibebrief, an der Supermarktkasse oder an der Tankstelle, im Großmarkt und bei zahllosen anderen Gelegenheiten – Sie unterschreiben schon mit einem digitalen Gerät. Aber taugt das wirklich?!

 

Komplexes IT-Problem

Doch alle diese Lösungen haben nicht nur einen Makel: Diese digitalen Unterschriften sind weder fälschungssicher (so ziemlich jeder kann da etwas hinkritzeln), noch werden sie beispielsweise von den Kreditkartenausgebern genauer geprüft. Jedenfalls habe ich mich schon oft gewundert, welche Krakel da als Autorisierung anerkannt sind.

Ein weiterer Makel der Krakel ist deren Inkompatibilität. So ist es zum Beispiel unmöglich, meinen Krakel an der Tankstelle mit dem Krakel im Großmarkt abzugleichen. Neben der Inkompatibilität der Krakel sind auch die Lösungen der Krakelsoftware inkompatibel. Bricht also ein Anbieter für die Kassenlösung des Supermarkts weg, könnte der Rückschritt zur PIN erforderlich sein. Das ist für mich als Kunden vielleicht zweitrangig, für die Supermarktkette hingegen ein komplexes IT-Problem.

 

Bürgernähe sieht anders aus

Gerade in deutschen Großstädten und im Besonderen in der deutschen Bundeshauptstadt Berlin kranken die klassischen Verfahren – vor allem am Personalmangel. Die elektronische Fernsignatur könnte viele Verfahren wie die Beantragung von Führungszeugnissen, Ausweispapieren, Kfz-Kennzeichen oder dergleichen beschleunigen. Eine abschließende Kontrolle durch einen Verwaltungsmitarbeiter wäre immer noch bei der Ausgabe möglich. Gegenwärtig sind aber gerade mal zwei Dienste überhaupt als Online-Service nutzbar: die Beantragung eines Bewohnerparkausweises und die Beantragung eines Kita-Gutscheins. Letzteren muss man auch noch online spätestens zwei Monate, bevor das Kind in die Kita gehen soll, beantragt haben und die Bearbeitungsdauer beträgt laut Bürgeramtswebseite erhebliche „sechs bis acht Wochen“.

 

In der Industrie so dringend wie nie

Abgesehen von der weiter oben schon genannten DSGVO, die vor allem die B2C-Prozesse betrifft, werden auch B2B-Verfahren sukzessive digitalisiert. EDI (Electronic Data Interchange) ist immer noch eine weit verbreitete Form der Dokumentenübertragung zwischen Unternehmen. Immer dann, wenn eine Autorisierung durch einen Menschen erforderlich ist – und das dürfte bei jedem neuen Dokument, das Kosten verursacht, der Fall sein – laufen traditionelle Prozesse an.

Mit den aktuellen technologischen Trends wie Industrie 4.0, Internet of Things (IoT) und der immer weiter voranschreitenden Prozessautomatisierung in der IT gelangen auch völlig neue Unternehmensbereiche und Geschäftsprozesse in den Fokus des digitalen Dokumentenaustauschs. Eine digitale Unterstützung dieser oft noch auf Papier abgewickelten Prozesse wird im Zuge der digitalen Transformation immer dringender. Wichtig ist es hier für die Anwenderunternehmen, nicht auf überholte Verfahren wie eine Eingabe von Unterschriften per Stylus und Tablet bzw. Handheld zu setzen, sondern sich am neuesten Stand der Technik zu orientieren.

 

Fazit

Während sich die Menschen gerne mit den neuesten Smartphones ausstatten und vielfältige digitale Technologien nutzen, hinken die Verfahren in den Unternehmen, im Gesundheitswesen und in der öffentlichen Verwaltung vielfach dem heute Machbaren hinterher. Dabei gibt es zwischen den Ländern Europas erhebliche Unterschiede. Länder, die gegenüber Deutschland in Sachen digitale Signaturen und digitale (Bürger-)Dienste schon ein ganzes Stück voraus sind, sind unter anderem Estland und Österreich.

 

Über den Autor

Holm Landrock ist freier Journalist, PR-Berater und Autor in Berlin. Seit 1982 schreibt er über die verschiedenen Facetten der Systeme und Lösungen der Unternehmens-IT.

Zuletzt erschien: „Landrock, Holm/Baumgärtel, Anne: Die Industriedrohne – der fliegende Roboter“, Springer Vieweg, Wiesbaden 2018. ISBN 978-3-658-21354-1